Feierabendrunde Nr. …

Go-a-Trance … Drive-a-Trance …

Radfahren am Feierabend? Ne, soweit bin ich wirklich noch nicht. Wär ja zu schön. Aber die Richtung stimmt schon wieder. Wie geht das?

Reha-Radfahren, auch nur etwas am Tag, nur auf dem schlappen Ergometer, hatte mir der Doc strikt untersagt. In meiner Akte stand sowieso schon drin Der Patient ist hyperaktiv … der hatte mich bei sich also schon für unzurechnungsfähig eingestuft. Also meinen persönlichen Coach Lutz konsultiert, was denn da zu machen wäre. Rausgekommen ist in letzter Verzweiflung die Bestellung einer Tretmaschine fürs Wohnzimmer bei Rose. In diese Maschine kann ich jetzt meinen Renner oder jedes andere Bike vermittels zweier Schrauben am Hinterrad befestigen, und nach dem Aufsitzen so tun, als würde ich tatsächlich fahren. Inklusive aller Schmackazien wie Klickpedale, Gänge schalten, Steigung einstellen, Tacho funktioniert usw. Das Ding ist so geil! Der einzige Unterschied zur Wirklichkeit ist, daß ich keinen Zentimeter von der Stelle komme.

Kommt noch besser: Da im Wohnzimmer keinerlei Verkehrsregeln zu beachten sind, kann ich mich hier ungehemmt der Kurbelei hingeben. Draußen in freier Wildbahn hab ich nie nen MP3 Player im Ohr, aber jetzt kann ich mir alles erlauben. Meine absolute Lieblinksmukke ist seit Jahren nur noch Goatrance. Also irgendeine meiner Lieblingsscheiben rein, Stöpsel in die Ohren und ab die Post. Goa hat üblicherweise um die 140 BPM, damit läßt sichs vortrefflich mit ca 70 Umdrehungen kurbeln, was genau der Wohlfühl Trittfrequenz entspricht. Dauert nicht lange, und das Dancefloor Feeling kommt auf, der Schweiß rinnt überall runter. Sagenhaft. Ist zwar nicht wie auf ner richtigen Party, aber es erfüllt den Zweck mehr als gut 🙂

Jetzt bekommt mein Excel-Sheet mit den Rad-Kilometern ne weitere Spalte „Rolle“, da stehen dann meine therapeutischen Heimatrunden drin. Die vernachlässigte Muskulatur und der seit 6 Wochen vor sich hindösende Kreislauf bedanken sich schon jetzt. Nach vorsichtigem Rantasten zeigt sich, daß es höchste Zeit wurde für diese Maßnahme. Allein gestern und heute waren es vier Stunden mit 95 Kilometern auf der Tretmaschine, leichte Steigung eingestellt und langsam vorgefühlt was die Beine denn überhaupt so leisten wollen. Menno, tut das gut. Endlich das Gefühl, es geht nicht nur nach vorn, sondern aufwärts.

Darkness took me and I strayed out of thought and time. Stars wheeled overhead and every day was as long as a lifeage on the earth. But this was not the end. I felt life in me again. I’ve been sent back until my task is done. [Gandalf, The two towers]

Nachgedanken zum Mißgeschick

Um jetzt das Thema für mich persönlich mal abzuschließen …

Dieser Drecks Unfall beschäftigt mich doch nun etwas mehr, als mir selbst gefällt. Nicht nur physisch, das wird noch ne Weile dauern. Aber es passiert hin und wieder, daß ich mich in der entscheidenden Sekunde vom Rad absteigen sehe. Die ersten Gedanken, noch während dem Umkippen, sind Mist jetzt ist die teure Radhose im Ar*** …. Keine Ahnung wie das kommt. Ich hab als Kletterer reichlich Unfallberichte gelesen von Leuten, die Abstürze in den Bergen oder in Lawinen überlebt haben. Die berichten ähnliche Trivialitäten wie Mist hab ich jetzt mein Taschenmesser verloren…. oder sowas. Das scheint normal zu sein, daß das Gehirn vom Wesentlichen ablenkt.

Ungeachtet dieser Nebensächlichkeiten lautete die Diagnose nach dem ersten Röntgenfoto: pertrochantere Femurfraktur rechts. Echt Shice. Mein Glück im Unglück war, daß mich mein selbst besteller SanKar direkt in eine Ortho-Klinik abgeschleppt hat, die nichts anderes als Knie- und Hüftgelenke reparieren, und schon vier Stunden nach dem Crash hat mich die nette Anästhesistin ins Nirvana geschickt, und meine Reparatur wurde Wirklichkeit. Das macht man heutzutage mit einer DHS, dynamische Hüftschraube. Dabei fummelt der Operateur ein Riesen Blech in den Schenkel, zwischen den lecker auftrainierten Muskeln hindurch, und verschraubt das Ganze mit Spax, wie sie im Baumarkt zu haben sind. Sieht jedenfalls so aus. Nach Abschwellen der ganzen Nebenwirkungen, was drei bis fünf Wochen dauern kann, sieht das äußerlich sogar nach fetten Muskeln aus, ist aber alles Blöff, das Eisen trägt eben so dick auf … und der Shit fühlt sich noch lange sehr befremdlich an, wie die dicke Backe nach ner Zahnarztspritze, nur viel derber…

Wenn alles gut geht, darf der Operateur nach ca einem Jahr den ganzen Eisenfummel wieder raus schnippeln, ca. eine Woche stationär hat man mir prophezeit. Wahrscheinlich grad, wenn ich mich dran gewöhnt hab und wieder gut im Training steh. Aber das is ja noch weit hin.

So. Und jetzt ist das Thema erledigt. Das Jammern überlass ich ab jetzt den Männern. Wir Frauen nehmen das gelassen und lassen uns nicht durch solche Lappalien aus der Bahn werfen. Ist doch wahr 🙂 …

Alcatraz am 13.06.08, die letzte.

Entlassen wegen … guter Führung nennen wirs mal

So jetzt hab ich den ganzen Reha Dingsda hinter mir. Drei Wochen meines kurzen Lebens hat mich das gekostet. Kommt rein in die Kategorie: Was ich nie wieder erleben will. Um die Reha nicht in zu schlechtes Licht zu rücken: Der ganze alberne Abflug vom Rad mit allen Folgeerscheinungen gehört da rein. Aber diese Reha sicher nicht an letzter Stelle.

Nach einer Woche in der Klinik wars ja noch lustig und die Hoffnung auf ein Gehen auf den eigenen zwei Beinen bei meiner Entlassung hat mich aufrecht gehalten. Der Terminstress indes nimmt täglich zu, jeder Arzt oder TherapeutIn knallt neue Dates in den persönlichen Kalender rein. Das scheint Methode zu haben, kommt doch der Patient dadurch kaum noch zum Nachdenken, jede[r] wird nur noch zum Manager seiner Termine. Wäre alles noch zu ertragen, doch da gibt es ja die allgegenwärtige erdrückende Langsamkeit, an den Aufzügen im Haus, in der Kantine, vor den Behandlungsräumen, überall stehen Vierfüßler [wie ich] Schlange, um die persönlichen Aufgaben zu erfüllen. Es geht nicht vorwärts. Auch die Treppen sind überfüllt von langsam dahin krabbelnden Verletzten.

Das Altersheimsyndrom tritt schnell ein. Nach dem Terminstress tritt die persönliche Apathie in Kraft. Motivationslosigkeit, Interessenlosigkeit, gefühlte Blutleere im Gehirn, keine Lust auf die einfachsten Ablenkungen zB in Form eines bislang als attraktiv empfundenen Buches, der Fotoapparat liegt trotz frühen Feierabends und netter Motive unbenutzt im Schrank rum. Sogar der MP3 Player mit massenhaft geiler Goa Mukke kommt nur alle drei Tage ans Licht. Nicht mal Bloggen hatte einen Reiz. Dumpfes Dahinvegetieren ersetzt den persönlichen Einsatz an der Wiederherstellung der eigenen Gesundheit. Um nicht völlig dahinzusiechen, hab ich regelmäßig die Abendabfütterung gecancelled, und teilweise auch das Frühstück.

Nach zwei Wochen Reha hat sich bei mir langsam von hinten die Erkenntnis angeschlichen, daß ich aufgrund meines Verletzungsbildes diese Anstalt auf Gehstöcken verlassen werde, und nicht wie die üblichen Hüft- oder Kniepatienten auf eigenen Füßen. Frust …… Also hab ich meine Therapeutinnen genervt, bis wir gemeinsam etwas Methodik zurechtgelegt haben, um gezielte Gehübungen zu machen und Fehlbelastungen und Ausweichbewegungen gleich zu vermeiden, hatte ich doch schon Knieschmerzen einseitig und noch andere Quereffekte. Die waren wirklich hilfsbereit und kompetent, auch wenn sie immer nur ihr Standardprogramm abspulen dürfen. Das war der Gewinn, den ich mit heimnehmen konnte.

Nach der letzten Anwendung kam dann das KO. Völlig kraftlos und abends fiebrig in die Falle gesunken, Verdauung hat gesponnen, Schädelweh. Hat zwei Tage angehalten, nun gehts anscheinend bergauf.

Nie wieder Reha.