Gestern und heute
Gestern und heute
Ein paar zuviele Gedanken über Rück- und Vorausblick.
Als Kind hab ich mir manchmal versucht vorzustellen, wie es wohl im Jahr 2000 aussehen könnte, also dann, wenn ich aus der Sicht von damals schon furchtbar alt sein würde und aus der Sicht von heute, ganz unheimlich ergreifend jung war, ob ich das überhaupt erleben werde und überhaupt, was da alles so los sein könnte. Und dieses ganze zukunftsorientierte Kopfkino gab es unverbindlich, harmlos und kostenlos.
Der Weg von damals, ganz jung, bis 2000: Grundschule, Gymmi, nebenbei arbeiten, Armee, nebenbei arbeiten, FH, nebenbei arbeiten, Dipl.Ing., endlich ein Job und wieder arbeiten – ein CV in Kurzfassung, geht doch, jeder Personaler wäre begeistert. Und wann bitte sollte das Leben anfangen?
Bei Tom Petty hiess das zwar Into the great White Open – nur das müsste dann irgendwann auch mal losgehen, hab ich gedacht.
Obwohl die vielen anstehenden kommenden Jahre, das hab ich schon damals ganz leise geahnt ohne es wirklich zu wissen, ratz fatz vorbei rennen könnten – habe ja schliesslich in vielen schönen Studentenjahren nullkommanix mein Diplom geangelt und musste dann ganz schnell den Berufseinstieg hinbekommen, um dann Wichtiges für die Welt und vor allem Lukratives für meinen Arbeitgeber tun – hab ich es vergessen oder aus anderen Gründen einfach nicht unternommen, etwas an Erinnerungen an diese Zeit, deren wahren Wert ich erst heute erkennen kann, irgendwie beiseite zu legen, aufzuschreiben, zu fotografieren oder anderweitig zu dokumentieren, was passiert ist, um heute nicht einfach nur zurück zu blicken, sondern auch wie andere, in schönen Erinnerungen zu schwelgen oder sogar aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die mir verbleibenden Jahre oder Tage etwas sinnerfüllter zu gestalten, vor allem aber um heute, ohne Zeit- und Termindruck meine eigenen Ideen und Gedanken umzusetzen, ohne auf die ununterbrochen in allen Medien heruntergeleierten Mantras über Klima, Lebensführung, Ernährung, Geldanlagen und Diäten zu achten.
Ich lass mich schon wieder ablenken, tz.
Eine Methode zur bewussteren Gegenwartswahrnehmung: aufschreiben. Schreib auf, was wirklich wichtig ist, wann Du aufstehst früh, wie ist das Wetter, hast Du gut oder wie üblich saumässig geschlafen, war der Kaffee morgens zu dünn, plagen Dich die Mückenstiche von gestern noch, muss das Scheibenwasser im Auto aufgefüllt werden, war das Duschwasser zu warm oder habe ich heute Staubsaugedienst? Auch Kleinigkeiten sind aufhebenswert, hat Dich wieder die Frau samt Koffer vor die Tür gesetzt oder Deine nächste Knie- oder Hüftprothesen OP steht an – schreib es auf. Die Zeit im Nachhinein mit Dir selbst wird es Dir danken.
2008 hab ich angefangen, diesen Blog zu schreiben. Darin steht Zeug, das würde ich heute nicht mehr an die Öffentlichkeit adressieren. Dennoch, ich lese ab und zu selber darin und bin manchmal überrascht über den Unsinn oder auch über die Eloquenz in einzelnen Beiträgen. Und am meisten freue ich mich über die Unzahl an Fotos, die ich anschauen kann.
Dann gibt es eine weitere Schiene, in der Erinnerungen festgehalten werden können. Einfach ein Notizbuch aus Papier, ein Werkzeug zum Schreiben, mein Favourit ist immer noch, seit ich in der Grundschule das Schreiben mit den eigenen Händen erlernen durfte, ein Füller, egal welcher, ich hab inzwischen eine nette Auswahl, und schon kann es losgehen. Jede Belanglosigkeit im Notizbuch hat ihre Berechtigung, wenn sie dazu hilft, den vergangenen Tag, die vergangene Woche oder mehr Revue passieren zu lassen oder einen vorsichtigen Ausblick auf morgen oder den kommenden Urlaub bewusst im Kopf ankommen zu lassen, ohne dass es im alltäglichen Sumpf dem schnellen Vergessen zum Opfer fällt.